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WM-Baustellen im modernen Sklaventum


01.11.2013
Internetbeitrag D. Schäfers in Katar. Stellvertretender IG BAU – Bundesvorsitzender in Katar.

„ Menschenrechte sind unteilbar.“ So Dietmar Schäfers, stellvertretender Bundesvorsitzender der IG BAU nach seinem „Arbeitsbesuch“ an Baustellen zur WM 2020 im Wüstenland Katar.
In einem der Gelsenkirchener WAZ abgedrucktem Interview nimmt Kollege Schäfers zu den an Baustellen zu Fußball-WM gemachten menschenverachtenden Zuständen Stellung.

Von Inge Ansahl

Eigentlich war alles klar, die Reise seit Monaten vorbereitet, Termine vereinbart. Wie immer, wenn die europäische Gewerkschaftsdelegation zu den angehenden Spielstätten sportlicher Weltereignisse reist.
Um sich vor Ort die Bedingungen auf den Großbaustellen anzuschauen. Eigentlich. Denn dann deckten Journalisten des Guardian die zum Teil menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen i reichen Wüstenland Katar auf. Erschüttert reagierte die westliche Welt auf die Zustände in dem Land, das der Ex-Schalke-Liebling Raul zu seiner Wahlheimat auf Zeit gemacht hat. Auch Dietmar Schäfers, stellvertretender Bundesvorsitzender der IG Bauen-Agrar-Umwelt und Vorstandsmitglied der Bau und Holzinternationalen mit Sitz in Genf, horchte schockiert auf. Und packte in Buer weiter seine Koffer.
Doch drei Tage vor dem Abflug, am 3. Oktober, kam die Absage aus Katar. Keine Meetings mit Regierungsbehörden, keine sonstigen Treffen, auch nicht bereits vereinbarte. „Wir haben die Lage in einer Telefonkonferenz mit den beteiligten europäischen Gewerkschaften besprochen“, erzählt Schäfers nach seiner Rückkehr. Zwar hätten einige Bedenken gehabt, „aber wir sind trotzdem geflogen und mit Touristenvisa eingereist.“ Asiatische Kollegen hätten schon zwei Wochen zuvor die Lager ausgespäht „und uns gesagt, wo wir genau hingucken müssen“. Ein neuralgischer Punkt: Workers Camps in Al Khor.
Was sie dort sahen, bringt Schäfers so auf den Punkt: „Da laufen dir die Tränen.“ Zehn zumeist indische Arbeiter in einem Raum, Liegeflächen mit Auflagen statt Matratzen, schlechte hygienische Zustände: Toiletten außen, Waschgelegenheiten ebenso. „Menschenunwürdig“, kommentiert der Gelsenkirchener.
Andere Gewerkschafter aus der europäischen Gruppe machten a anderen Orten ähnliche Entdeckungen. Dietmar Schäfers beschreibt die Situation der Arbeiter, die er kennen gelernt hat: „Da trifft man junge, hoffnungsvolle indische Männer, die in ihrer Heimat Geld an eine Vermittlungsagentur gezahlt und Verträge abgeschlossen haben.“

Der Bus fährt morgens um 3.30 Uhr

Die Realität: bittere Enttäuschung. Die Verträge galten nicht mehr, die vereinbarten Lähne auch nicht. Morgens um 3.30 Uhr mit dem Bus zur Arbeit, die um 6 Uhr beginnt. Spätabends wieder zurück. „Die Freizeit reicht für Katzenwäsche und ein bisschen Quatschen.“ Und wer morgens den Bus verpasst, riskiert zwei bis drei Tage Lohneinbußen. Die Männer sind nicht krankenversichert und haben keine Pässe. Was, so Schäfers, auch bedeute: „Wer aufmuckt, kommt nicht raus.“ Noch schlimmere Bedingungen, sagt er, habe er bisher nur in Malaysia gesehen. „Das ist modernes Sklaventum!“ In Katar hat die Ausbeutung der Arbeiter einen Namen: Kafala.